Säkularität als wertebasierte Identität – Vortrag in Konstanz
Warum wir mehr sind als nur "nicht-religiös"
Am 10. Juni 2025 fand in Konstanz ein Vortrag mit dem Titel "Säkularität als Werte stiftende und Kultur prägende Identität der modernen Gesellschaft – Warum wir mehr sind als nur ‚nicht-religiös‘" statt. Der Vortrag zeigte, dass der Verzicht auf Religion kein Mangel ist, sondern notwendige Voraussetzung für eine eigenständige Grundlage weltanschaulicher Orientierung – Vernunft, Wissenschaft und Humanismus.
Der Referent machte deutlich, warum auf Säkularität beruhende Weltanschauungen eine pluralismusfähige, erkenntnisdemütige Ethik pflegen, die sich durch normative Werte, kulturelle Ausdrucksformen und eigenständige Sinnsysteme auszeichnet. Begriffsgeschichtliche Hintergründe und -analysen zu "Religion" und "Weltanschauung" sowie verfassungsrechtliche Argumente legten die Grundlage für eine vertiefte Auseinandersetzung.
Zentraler Bezugspunkt war das berühmte Böckenförde-Diktum: Der freiheitlich-säkularisierte Staat lebe von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren könne. Doch der Vortrag stellte klar, dass das Diktum auf Voraussetzungen basiert, die heute nicht mehr gegeben sind – etwa die einer religiös homogenen Gesellschaft oder der Kirche mit zwar vollen Kassen, aber leeren Gottesdienstbänken. Heute ist die gesellschaftliche Realität plural und zunehmend konfessionsfrei – und gerade hierin liege das neue Potential: Nicht kirchlich verfasste Religiosität mit Absolutheitsanspruch, sondern die Vielfalt weltanschaulicher Überzeugungen bilden die "vorstaatlichen Kräfte", auf die der freiheitliche Staat angewiesen ist.
Hart ins Gericht ging der Referent mit einem etablierten Sprachgebrauch: Wer sich selbst als "nicht-religiös" oder "konfessionslos" beschreibt, übernehme unreflektiert Fremdzuschreibungen. Dies gleiche einer pubertären Negation ohne positive Selbstdefinition. Der Vortrag war daher zugleich ein Weckruf zur weltanschaulichen Selbstermächtigung.
Die Reaktionen des Publikums spiegelten die Relevanz des Themas wider: Teilnehmende lobten die klare Argumentation und den einladenden Vortragsstil. Besonders berührend war das Feedback eines gläubigen Kirchenmitglieds, das anerkannte, dass die negative Etikettierung säkularer Menschen einem toleranten Miteinander widerspricht.
Der Vortrag ließ keinen Zweifel daran, dass Säkularität im Wettbewerb mit Religiosität um die überzeugendste und zukunftsfähigste Orientierung unschlagbar gute Argumente hat. Der Referent, Lars Habermann, Jurist aus der Schweiz, kündigte seine Bereitschaft an, den Vortrag auf Einladung auch andernorts zu halten.