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Kriminalität: Es wird immer schlimmer, oder? [1]

Vortrag von Jürgen Röder im hbbk-Forum

19.11.2025
Jürgen Röder

Am vergangenen Dienstagabend zeigte ein Vortrag im Humanistischen Bildungs- und Begegnungszentrum in Konstanz (hbbk), wie sehr die öffentliche Wahrnehmung von Kriminalität und die tatsächliche Entwicklung auseinanderklaffen. Wikipedia-Autor Jürgen Röder von der gbs-Bodensee präsentierte Thesen, die dem Alltagsverständnis widersprechen – und fand unerwartete Unterstützung aus dem Publikum.

Am 11. November 2025 versammelte sich im hbbk [2] ein Publikum, das die Erwartungen aller Beteiligten übertraf. Statt auf Widerstand stieß Referent Jürgen Röder auf ein außergewöhnlich fachkundiges Publikum, darunter ein ehemaliger Leiter einer Polizeidienststelle, ein früher in der kriminologischen Forschung tätiger Besucher sowie weitere Experten. Sie bestätigten nicht nur Röders Kernaussagen, sondern ergänzten sie mit eigenen Erkenntnissen.

Röder skizzierte ein Bild, das mit der gängigen Meinung von steigender Kriminalität bricht: Wir leben in einem Zeitalter des weltweiten Kriminalitätsrückgangs. Dieser Rückgang lässt sich in zwei Phasen einteilen. Die erste, langfristige Phase reicht bis ins späte Mittelalter zurück und zeigt einen moderaten Rückgang der Gewalt- und Mordraten. In 700 Jahren sank die Mordrate auf etwa ein Vierzigstel. Die zweite, kürzere Phase begann in den 1990er-Jahren und ist durch schnellere Rückgänge geprägt. In Deutschland halbierte sich die Mordrate seit dieser Zeit. Selbst während der "Flüchtlingskrise" 2015/2016 gab es keinen Anstieg der Kriminalität. Stattdessen sanken die Zahlen für Gesamtkriminalität, Diebstähle und sogar Gewaltkriminalität in den Folgejahren teils auf Rekordtiefs – obwohl Millionen Geflüchtete im Land blieben.

Ein zentrales Thema des Abends war die Gewalt gegen Frauen. Röder erklärte, dass der starke Anstieg der Anzeigen nicht auf mehr Taten, sondern auf ein gestiegenes gesellschaftliches Bewusstsein und eine höhere Anzeigebereitschaft zurückzuführen sei. Die Zunahme der Meldungen sei sogar ein Erfolg der Frauenrechtsbewegung und ein Grund, stolz auf die gesellschaftliche Entwicklung zu sein.

Einzig in einem Punkt widersprach das Publikum dem Referenten: Nicht das Bundeskriminalamt, sondern Politiker würden gezielt Ängste schüren. Als Beispiel diente die Pressekonferenz [3] vom April 2025, in der die damalige Innenministerin Nancy Faeser und Ulrich Mäurer, Vorsitzender der Innenministerkonferenz, die Polizeiliche Kriminalstatistik 2024 vorstellten. Beide hätten den Anstieg der Gewalt gegen Frauen fälschlich als Spiegel der Realität dargestellt und damit bewusst Verunsicherung betrieben.

Kritik übte Röder auch an den Medien. Während die deutsche Presse in vielen Bereichen regierungskritisch berichte, sei sie beim Thema Innere Sicherheit "behördennah wie in Russland oder China". Diese Nähe führe zu einer verzerrten Darstellung der Kriminalitätslage.

Der spannende Abend endete mit einer klaren Botschaft: Die Daten zeigen einen historischen Rückgang der Gewalt, doch die öffentliche Debatte wird von Ängsten und politischen Interessen dominiert. Die Frage, ob die Kriminalität wirklich zunimmt, wurde in Konstanz mit einem deutlichen "Nein" beantwortet. Ob sich diese Erkenntnis in der breiten Öffentlichkeit durchsetzt, bleibt offen.

Der Vortrag von Jürgen Röder wurde auf dem YouTube-Kanal der gbs Bodensee [4] veröffentlicht.

Auch der Südkurier hat mit einem ausführlichen Artikel [5] über den Vortrag berichtet.


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Links
[1] https://www.gbs-bodensee.de/meldung/kriminalitaet-es-wird-immer-schlimmer-oder [2] https://hbbk-bodensee.org/ [3] https://www.youtube.com/watch?v=u7famfOj4-g [4] https://www.youtube.com/watch?v=zQeeS-3G9w0 [5] https://www.suedkurier.de/kreis-konstanz/wird-unsere-welt-wirklich-immer-gefaehrlicher-nein-sagt-einer-der-die-kriminalstatistik-kennt-112766340